Als ich die Tür zum Geräteschuppen öffne, finde ich diese frisch gehäutete Schönheit. Sie sitzt auf einem Eimer mit Basalt-Pflastersteinen. Hilflos guckt sie mich an. Daneben liegt der alte Chitin-Panzer als leblose Hülle. Ich mache ein paar Fotos und schließe die Tür. Die Libelle soll sich in Ruhe auf ihren nächsten Flug vorbereiten. Dieses Bild hat mich seltsam angesprochen. Ich habe es mehrere Monate in meinem Herzen getragen. Daraus entstanden ist ein Gedicht.
Chitin
Wenn das Leben fest zupackt
Hör ich wie die Hülle knackt
Die Schutzschicht die mich einst geschützt
Bricht auf weil sie mir nicht mehr nützt
Ein‘ Teil von mir hab ich verloren
In neuer Haut werd ich geboren
Den alten Panzer warf ich ab
Berührt man mich, bringt’s mich ins Grab!
Schutzlos taste ich mich vor
Hautlos weil ich sie verlor
Haltlos weil die Fessel fehlt
Die mich einst so sehr gequält
Wenn der Druck sich zu sehr staut
Muss ich raus aus meiner Haut
Jetzt hab ich sie abgestreift
Zu staunen was darunter reift
Chitin war meine Existenz
Wo jetzt ein neuer Flügel glänzt
Er zeigt mir ich bin bald bereit
Zum Flug in die Unendlichkeit
Durch die Angst spür ich die Weite
Im Geist die Flügel ich ausbreite
So geb ich mich der Chance hin
Warte bis ich gefestigt bin
Wenn der Panzer fallen will
Wartet ein neues Lebensgefühl
Ich teste ob das neue hält
Bin startklar für die weite Welt
Hurra, die Flügel halten Stand
Ich breche auf ins neue Land
Die alte Schale liegt im Dreck
Jetzt flieg ich über sie hinweg
Von oben kann ich deutlich sehn
Was ich konnte nicht verstehn
Ich passte nicht mehr ins alte Chitin
Weil ich so gewachsen bin
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de