Hintergrund-Wissen

Fasziniert schaue ich, wie die Farbe auf der Leinwand verläuft. So einfach, und doch habe ich es noch nie gemacht.

Vor fast zwei Jahren gab es bei einer vierwöchigen Malchallenge die Aufgabe, Tinte und Kleber in einem Bild zu verwenden. Ich stellte schnell fest, dass ich die Tinte nicht mochte. Sie war nervig und ließ sich nicht so verarbeiten, wie ich es wollte. Sie war schlicht unsympathisch. Sie erinnerte mich an Tuschezeichnung in der Schule und an unglückselige Zeiten, in denen ich mit Füller Aufgaben löste und leider viel zu oft nicht löste. 

In der Schule saß des Öfteren buchstäblich in der Tinte. Mit diesem Medium zu malen war das Letzte, was mir einfallen würde. Dieses Zeug sollte mir nicht die Malerei versauen. Ich ließ damals die Aufgabe von der Rebellin in mir lösen – mit Holzleim und Tusche und Feder.

Jetzt stehe ich hier, schaue, wie Tinte ihre wunderschönen leuchtenden Formen in die flüssige Acrylfarbe gräbt. Sie strahlt mich an. Ich staune. Das ist auch Tinte. Heute lasse ich sie für mich arbeiten. Die Rebellin hat Pause. Ich bin für alles offen, empfange die neue Farbwelt mit offenen Armen. 

Als ich spüre, dass das Bild alles hat, was ein Hintergrund braucht, lasse ich es trocknen. Ich beginne ein neues Gemälde, mit neu erlernter Technik, diesmal ohne Tinte. Farben laufen ineinander, ich tupfe vorsichtig an den Stellen, wo sonst zu viel Chaos entstehen würde. Es sieht anders aus als meine bisherigen Bilder, aber ich liebe es. Vor meinem inneren Auge kann ich jetzt nach und nach sehen, welche Motive sich auf dem Hintergrund „wohlfühlen“ würden. 

Vor neuem Hintergrund

Es ist Wahnsinn. Ein paar technische Kleinigkeiten, eine Inspiration von außen, eine andere Haltung gegenüber einem Material – und schon entsteht ein völlig anderer Hintergrund. Neue Motive erwachen zum Leben.

Ich spüre, dass ich auch insgesamt dabei bin einen neuen Hintergrund zu entwickeln, auf dem Neues lebendig werden kann. Skills und Techniken setzen sich durch, Werkzeuge kommen zum Einsatz und ich gewinne mehr Gelassenheit. Die Farbe hält mir den Spiegel vor: Wenn so Vieles gleichzeitig im Fluss ist, muss ich nur noch dafür sorgen, dass kein wildes Durcheinander entsteht. Ich darf gestalten, die Laufrichtung mit bestimmen. So entsteht neue Tiefe, ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf. Und der frische Hintergrund freut sich auf Inhalte.

Ich dankbar, dass ich mich auf das neue Material einlassen konnte. Wo ich mich gefühlsmäßig auf Neues einlassen kann, wird mein Leben oft viel reicher. Ich möchte dem Leben zuhören und das, was es bietet, ausschöpfen und damit gestalten. Ich möchte buchstäblich mein Hintergrund-Wissen erweitern.

(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de

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