Kampf und Krampf

Es ist definitiv nicht mein Abend. Immer wieder muss ich während des Judotrainings pausieren. Der Kreislauf und die Kraft wollen heute nicht so richtig. Als der Schwindel nachlässt, drehe ich endlich der Turnhallenbank den Rücken zu, parke meine Latschen am Mattenrand und traue mich, nochmal eine Runde mitzumachen.

Zum Abschluss noch ein Kämpfchen im Stand. Bedeutet beim Judo: Ich versuche, das Gegenüber zu Boden zu bringen, ohne selbst zu fallen. Bei meinem Partner in dieser Runde ein vollkommen zweckloses Unterfangen. Der Typ steht wie ein Baum und als Mann ist er mir kräftemäßig sowieso weit überlegen. Wenn ich also nur die leiseste Chance haben will, stehen zu bleiben, muss ich Vollgas geben. Ich suche meinen Griff, packe zu. Ich rechne mit allem, aber es kommt etwas Unerwartetes. Er hinterfragt mich: „Wie lange hältst du das durch?“ Verdutzt frage ich: „Was meinst du?“ Er: „Ich meine die Muskelanspannung. Das schaffst du nicht vier Minuten lang.“ Dass ich dagegen argumentiere, ist nur ein Akt der Verzweiflung. Ich weiß, dass er Recht hat, aber dass soll er bitte nicht auch noch wissen. Außerdem ist mir ist nicht klar, wie ich es locker angehen lassen kann.

Was im Judo gilt, trifft oft auch aufs Leben zu: Wer immer volle Kraft gibt, kann schneller nicht mehr.

So oft im Leben gebe ich von Anfang an volle Kraft. Ich bin so darauf konzentriert, zuzupacken, Kontrolle zu bewahren, sage mir: „Bloß nicht fallen!“ ,Dabei merke ich gar nicht, wie sehr ich meine Ressourcen plündere. 

Wer immer volle Kraft gibt, hat im Ernstfall keine Reserven mehr, kann nicht mehr kontern. 

„Wie lange hältst du das durch?“

Der Satz des anderen hat mir die Augen geöffnet: Wer immer volle Kraft gibt, kann schneller nicht mehr. Nicht nur beim Sport: Auch in den täglichen Kämpfen meines Lebens muss ich bewusst üben, entspannter zu bleiben. Wie das geht, weiß ich selbst noch nicht. Vielleicht hilft es, mir bewusst zu machen, dass meine Verkrampfung es nur noch schlimmer macht. Es kann mir niemand garantieren, dass es mich nicht umhaut. Aber wenn doch, bleibt mir noch die Fähigkeit, den Aufprall abzufedern.  

(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de

4 Antworten auf „Kampf und Krampf“

  1. Beim Gesang gibt es einen schönen Ausdruck…layed back…eine Art besondere Art zu singen. Vielleicht kennst du das ja!
    LG Mama

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