Ich muss da hoch! Der überwucherte Pfad strahlt eine unwiderstehliche Faszination aus. Nie hätte ich gedacht, dass er mich lehren würde, Hindernisse zu genießen.
Er führt auf einen mit Gras und Ginsterbüschen bewachsenen Hügel. Das Gelb der Blüten leuchtet vor dem satten Grün des Untergrunds. Alles ist nass, dicke Tropfen hängen in den Gräsern und lassen sie unter der Last des Wassers ächzen. Mein Tagesspaziergang wird genau dorthin führen.
Ich erkläre meinem Mann was ich vorhabe und mache mich auf den Weg. Als ich dort ankomme, wo der Pfad vom Hauptweg abzweigt, melden sich die ersten Zweifel: “Wieso habe ich den Baum nicht gesehen, der den Weg versperrt? Es ist sogar nicht nur ein Baum, sondern es sind mehrere Stämme, die ich bezwingen muss. Sie glänzen vom Regen, als wollten sie mich warnen: Rutschgefahr!
Ich klettere kurzentschlossen über die Hürden. Es gibt eine einfache Erklärung für diese Situation. Ich habe weiter in die Ferne geschaut, dorthin, wo ich laufen wollte. Ich beginne mich zu fragen, ob bis dort oben noch mehr Hindernisse zu bezwingen sein würden. Eine rhetorische Frage, denn mein Weg ist gesäumt von umgeknickten Bäumen, Asthaufen und kleinen Büschen. Meine Füße schmatzen im Matsch unter dem nassen Gras, ich muss aufpassen, dass ich nicht ausrutsche. Erste Zweifel machen sich breit. War das eine gute Entscheidung? Ist das der richtige Weg?
Ein kleiner Satz in meinem Kopf ändert alles. “Lass es gut sein.” Wow. So oft habe ich diesen Satz gehört. Jetzt verstehe ich, dass er mir eine Tür öffnet. Ich habe mir gewünscht, diesen Weg zu gehen, ich habe seine Magie und Schönheit gespürt. Jetzt werde ich das durchziehen. Ich entscheide mich, dass dieser Weg gut ist, ich lasse ihm die Chance, gut zu sein. Ich hefte meinen Blick auf die Stelle, wo ich hin wollte. Ich entdecke, dass der Weg dort endet. Ich muss einen kleinen Bach überqueren und auf der anderen Seite wieder zurück gehen. Ich kann erkennen dass auch dort ein Weg entlang führt, der – vermutlich wie dieser hier – gar keiner ist. Ich stütze mich mit beiden Händen auf einem besonders dicken Stamm ab und springe, bis ich in der Hocke auf ihm sitze. Es beginnt, Spaß zu machen. Ich verstehe, dass an jedem Hindernis ein Weg ist, den ich entdecken darf. Ich darf es gut sein lassen. Ich darf genießen, was ich erlebe. Hier kann ich das tun, mitten im Wald, geschwitzt, mit matschigen Schuhen und nassen Hosenbeinen. Es darf ein gutes Erlebnis werden, egal wie schwierig es wird.
Ich verstehe, dass das auch auf andere Situationen zutrifft. Ich bin nicht hilflos den Schwierigkeiten ausgeliefert. Ich darf und kann es gut sein lassen. Vieles hatte ich mir einfacher vorgestellt. Es ist so tröstlich, zu verstehen, dass die Hindernisse gerade das sind, was mich stolz gemacht hat, “meinen” Weg weiter zu gehen.
Oft habe ich mich auch für das Falsche entschieden, habe das Schlechte bestimmen lassen und bin unzufrieden geworden. Heute nehme ich mir vor: Wenn es schwieriger wird als erwartet, kann ich mir selbst eine Erlaubnis zum Guten aussprechen: “Lass es gut sein!”
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de