Meine Art von alles gut

Es ist gerade alles gut. Ich hätte nie gedacht, dass ich das heute behaupten würde. Okay, es ist nicht die Art von alles gut, bei der wirklich ALLES gut ist. Es ist die Art von alles gut, bei der alles so gut ist, dass es überhaupt mal geht. Das ist unglaublich und kommt für mich völlig unerwartet.

Es ist Wochenende. Das Wort ist missverständlich. Es ist nämlich nicht die Art von Wochenende, bei dem alles gut ist. Es ist die Art von Wochenende, wo alles aufgeholt werden muss, was liegengeblieben ist. Die Art Wochenende nach fünf terminüberfrachteten Werktagen, Kurzbeschreibung: VOLL!

Den ganzen Samstag kämpfe ich mit Müdigkeit. Immer wieder zwingt sie mich zur Pause. Trotzdem ist alles gut. Hier und da will Panik aufkommen, Tränen fließen. Ich fühle, wie Schwäche meine Glieder lähmt.

Ich bleibe dabei: Es ist alles gut. Ja, wirklich. Ich stelle mir gerade vor, wie jemand reagiert, dem ich das jetzt erzähle. Der meine Augenringe und meine Tränen sieht. Ich ahne die Fragezeichen in seinem Gesicht.

Nichts perfekt, nichts katastrophal

Es ist vielleicht deshalb so gut, weil mir gerade niemand gegenübersitzt. Das gibt mir Zeit, zu denken. Ich habe lange versucht, meine Schwäche zu ignorieren. Das ist nicht geglückt. Ich habe verstanden, dass es nicht geht. Dann bin ich aus mir nicht verständlichen Gründen mit der Energie einer Rennfahrerin durch den Terminparcours von Montag bis Freitag gebrettert. Irgendwo waren Reserven, die mir bislang nicht zur Verfügung gestanden haben.
Es war alles gut: Ich habe meine Arbeit geschafft, mein Haushalt ist okay, meine Kinder versorgt und ich habe Sport gemacht. Zwischendrin habe ich sogar noch Zeit gefunden, die Birne im Autoscheinwerfer vorne links tauschen zu lassen. Ich habe nichts für die Schule vergessen. Nichts perfekt, nichts katastrophal. Also alles gut. Nicht die Art, von alles gut, bei der wirklich ALLES gut ist. Es ist die Art von alles gut, bei der ich empfinde, dass es gut ist, obwohl man es auch anders sehen könnte.
Ich bin erschöpft, habe emotionale und körperliche Schwierigkeiten. Ich muss nicht verstehen und nicht erklären, was mit mir los ist. Ich muss nicht hinterfragen, warum ich Frieden mit diesem Zustand geschlossen habe. Ich habe nicht den Anspruch, dass es besser sein muss. Vielleicht ist deshalb gerade alles gut.

(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de

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