Schreib mal wieder 

Ich möchte gerne glauben, was die Werbung über mich weiß. Ich starre auf den Flyer. Ich habe hier auf dem Blog lange nichts mehr von mir hören lassen. Es gibt einen einfachen Grund dafür: Ich habe schon lange nichts mehr von mir gehört. In mir ist alles so wortkarg. 

Es gibt unzählige angefangene Gedichte und Texte in meinen Dateien, festgewachsen in den Kinderschuhen. Ideen, deren Reife überschritten ist und die jetzt in meinem Kopf zu faulen beginnen. Wie halb gekochte Gerichte, die langsam Schimmel ansetzen. Es breitet sich das Gefühl der Sinnlosigkeit aus. Nach mehr als einem Monat innere Funkstille lese ich im Werbeprospekt meines Verlags: “Ramona Eibach versteht es, Momenten zuzuhören. Überall sieht sie Möglichkeiten, um Gott zu begegnen und negative Gedanken hinter sich zu lassen.”

Wäre ich nicht selbst dabei gewesen, als mein Buch „Funkelflocken“ entstanden ist, würde ich das nicht glauben. es gibt aber keinen Zweifel: Ich bin gemeint. Die Ramona, die vor mehr als einem Jahr ein Buch geschrieben hat, ist mir fremd geworden.  Momente zum leuchten bringen gelingt mir jedenfalls nicht.

Die Ramona, die hier beschreiben wird (links), ist mir fremd geworden.

Gelegenheiten und Dämpfer

Ich habe im Juni 2024 unfassbar viel erlebt. Ich bin über mich hinausgewachsen. Ich habe mich getraut, nochmal eine Gürtelprüfung im Judo anzutreten und habe bestanden. Ich habe super viel Zuspruch bekommen. Der Text war fertig, aber das Gefühl war stärker: “Es ist sinnlos, zu schreiben. Wer will wissen, was ich erlebt habe? Es ist irrelevant.” Mir flogen Gelegenheiten für Geschichten zu. Ich scheiterte an dem Gefühl, nicht die Richtige zu sein. 

Ich habe mich mega ins Zeug gelegt, um an einer persönlichen Sache zu arbeiten, die mir zu schaffen macht. Das Ergebnis ist an sich gut, aber die Personen, die damit zu tun haben, geben mir Rätsel auf. Ich verzweifle an mir. Warum kann ich nicht kommunizieren, was ich denke? Warum brauche ich, was ich brauche? Mein Glaube wackelt schon länger. Die Autorin von damals hat Gott überall gesucht, das stimmt. Aber jetzt verzweifle ich an ihm. Ich arbeite in einem christlichen Werk. Erfülle ich noch die Voraussetzungen?

Körperlich fühle ich mich nicht mehr fit, Erschöpfung macht sich breit und noch dazu habe ich sehr viele Termine mit den Kindern. Ich habe zugenommen. Ich vergesse wichtige Dinge, bringe Klöpse, die mich selbst den Kopf schütteln lassen. Meinem Mann geht es nicht sehr viel besser. Ich habe gefühlt nur Deprizeugs zu berichten. Das stimmt nicht, das weiß ich. Aber so fühlt es sich an.

Meine Lebensüberzeugung, kleine Dinge zu entdecken und Momente sprechen zu lassen, lässt mich im Stich. Mit viel Glück schaffe ich hier und da ein Foto. Beim Malen bin ich noch die Leidenschaftliche und Kreative, aber Schreiben fällt mir wahnsinnig schwer. 

Ich verkrümele mich, die extrovertierte Ramona bröckelt. Darunter zeigt sich ein verschämtes Kind. Unfähig in dieser Welt zu bestehen taumelt es vorwärts. Mein Autobahntempo überfährt mich selbst. Ich halte nicht mehr mit. In all dem Wahnsinn habe ich beschlossen, das Schreiben vorübergehend an den Nagel zu hängen. 

Bessere Aussicht

Mein Blog ist Zeuge einer Zeit, in der es mit den Texten noch klappte. Niemand hat mich aufgefordert, nochmal loszulegen. Ich frage mich, woher der Mut für diesen Text hier gekommen ist. In meinem Meer aus Zweifeln muss es einen guten Schwimmer geben. Er ist es, der sagt: “Schreib mal wieder.” Hätte mir jemand anders erzählt, er sei in solch einem Zustand, hätte ich gesagt: “Das ist worüber du schreiben kannst. Das holt viele Menschen ab.” Ich habe es getan. Ich habe kein Happy End und keine Heldenreise mit positivem Ende anzubieten. Das einzige, das mir gerade so gelungen ist, ist den Klumpen in meinem Kopf in Zeilen zu packen. Von der Prospekt – Ramona, die überall Gelegenheiten sieht, Gott zu begegnen, bin ich weit entfernt. Aber sie muss noch irgendwo sein.  Vielleicht ist sie es, die mich ermutigt: “Schreib mal wieder.” Falls ja, möchte ich sie im Blick behalten. Ich hänge den Flyer über meinen Schreibtisch. Das ist eine gute Aussicht.

(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de

7 Antworten auf „Schreib mal wieder “

  1. Toll. Ich liebe deine ehrlichen Texte und sie geben mir Mut, selber loszulegen und endlich mal wieder zu malen,… Ich fange oft etwas an und denke, jetzt geht’s los. Aber so richtig. Und dann geht’s nicht weiter. Vielen Dank für deine Ehrlichkeit, deine Offenheit und deinen Mut, dich nicht zu verstecken sondern darüber zu schreiben, wie es dir geht. Danke 😘

    1. Hallo Ruth, ich habe mich ehrlich gesagt, tatsächlich versteckt. Ich könnte es auch auf den Trubel schieben, aber mir ist wichtig, es zuzugeben. Danke für deine Rückmeldung. Kreatives braucht manchmal Kraft. Davon wünsche ich dir ganz viel.

  2. Du Liebe! Einen herzlichen Gruß von mir! Schön, dass wir uns n der Kunstakademie damals kennengelernt haben. Alles hat seine Zeit! Auch solche tiefen Phasen. Morgen wird es anders sein und neu! Ja, Gott ist in den kleinen Dingen – aber auch in den Phasen dazwischen!!! Deshalb wünsche ich dir einfach viel Mut, die Schritte zu gehen die nötig sind, um weiter zu gehen. Gott mit Dir!!

  3. Ist Gott nicht auch im nicht kreativ sein, im nicht schreiben ? Will er dir nicht zeigen, dass du gerade was anderes brauchst ? Kann oder besser muss man immer 100% geben ? Ich glaube jeder Mensch macht solche Phasen durch und sie sind auf irgend nie Weise wichtig, auch wenn wir sie nicht verstehen. Mir geht es gerade ähnlich, am liebsten allein sein, mich nicht fremd bestimmen lassen. Und zugenommen habe ich auch 😏 mir sagt meine innere Stimme, du kannst es ändern. Ich lasse sie gerade reden.
    Liebe Ramona danke für deinen Text , er tut mir gerade so gut. Er ist so ehrlich und baut andere/mich auf .
    Gesegnete Grüße Anja

    1. Danke Anja. Ich denke auch, dass nicht immer alles sein muss. Es darf sein. Trotzdem fehlt mir das Schreiben. (Damit meine ich diese spezielle Form des Schreibens, denn beruflich funktioniert es ja.)
      Ich habe viele Ideen, aber ich kann mich nicht aufraffen. Dafür findest Du mich im Moment viel im Malkeller.

      1. Dann ist eben das Malen dran. Wenn dein Kopf dann zu voll ist, schreibst du bestimmt wieder. Hadere nicht, lass dich auf das ein, welches dir gerade gegeben wird .
        🎨👩🏻‍🎨

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich stimme der Datenschutzerklärung zu

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

error: Das Bild ist urheberrechtlich geschützt!