Ein lautes Platsch. Ich stöhne. Der Hocker, auf dem ich stehe, ist zu einer Insel im Papiermeer geworden. Der Küchenboden sieht aus wie der unaufgeräumte Schreibtisch meiner Tochter.
Ein wildes Sammelsurium aus Altpapier und wichtigen Informationen hat sich über die Fliesen ergossen. Der Papierstapel im Küchenregal ist umgefallen wie der Turm zu Babel. Seine Trümmer zwingen mich zum Aufräumen. Das Meiste wandert schnell in den Papierkorb: Alte Prospekte und abgehakte To Do Listen. Konzerttickets behalte ich sicherheitshalber. Falls die gebuchte Veranstaltung nach zwei Verschiebungen im kommenden Winter überraschend stattfinden sollte, will ich dabei sein. Und dann in der hintersten Ecke ein Gutschein eines Online-Kaufhauses. Ein Jahr lang hat er in der Zettel-Ecke vor sich hin gestaubt, bis er mir bei dieser Zwangsaufräum-Aktion buchstäblich vor die Füße fällt. Er liegt in einer Karte von meinem Geburtstag im vergangenen Jahr. Praktisch. Mein Krimi ist fast ausgelesen und ich brauche dringend Nachschub. Als der Stapel aufgeräumt ist, lege ich das wertvolle Stück Papier auf den Schreibtisch. Zwanzig Euro nur für mich !
Abends auf dem Weg ins Bett fällt mir der Gutschein wieder ein. Ich werfe schnell eine CD in meinen Einkaufswagen. Die habe ich mir schon lange gewünscht! Dann suche ich nach einem geeigneten Krimi. Ich entdecke mehrere von einer Autorin, die ich mag. Viel zu lange habe ich nichts mehr von ihr gelesen. Inzwischen hat sie drei neue Bücher auf den Markt gebracht, alle schon als Paperback verfügbar. Eins geht also noch. Wahrscheinlich sind alle Bände gut. Weil meine Augen schon zufallen, klicke ich schnell auf den Titel, der mir am besten gefällt. Anfängerfehler.
Der unerwartete zweite Teil
Als ich das Buch ein paar Tage später in meinen Händen halte, lese ich den Klappentext. Er verrät mir, dass es sich um den zweiten Teil einer Trilogie handelt. Ich muss über meine offenkundige Treffsicherheit lachen. Dieser Patzer gehört zu den weniger schlimmen der letzten Tage. Er ist eine gute Gelegenheit, noch mehr Bücher zu kaufen, ein Notfall quasi. Den sollte ich nutzen. Mein Entschluss steht fest: Ich beginne zu lesen. Aber vorher bestelle ich mir Band eins und drei antiquarisch. Der Versender sagt, ab zwanzig Euro sparte ich die Versandkosten. Ich freue mich. Noch mehr Grund, Bücher zu kaufen. Ich bestelle zusätzlich einen Titel eines vielversprechenden Autors. Diesmal achte ich peinlich genau darauf, dass es sich nicht um eine Reihe handelt. Gelernt ist gelernt.
Kann es ein Fehler sein, einen guten Roman zu lesen? Höchstens dann, wenn frau gleichzeitig Auto fährt. Aber wenn es sich um Teil zwei einer Trilogie handelt, deren Anfang ich nicht kenne, ist das kein Grund für ein Nein. Ich blättere zur ersten Zeile. Das Buch hat mich beim Einstiegssatz. Teil eins kann warten. Ich muss jetzt lesen. Cool. Vier Krimis wegen eines zusammengekrachten Papierstapels in der Küche. Von dieser Seite betrachtet, hat Unordnung manchmal ungeahntes Potential. Meine persönliche Trilogie aus Chaos, Gutschein und Oberflächlichkeit hat jedenfalls etwas Positives hervorgebracht.
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de