Wenn die Seele trotzdem tanzt
Wenn die Seele trotzdem tanzt

Wenn die Seele trotzdem tanzt

Es waren harte Wochen, als Ende August die Sonne für immer unterzugehen schien. Ein Tsunami drohte, alles unter Wasser zu setzen. Doch ich ging nicht unter.

Panikattacken schüttelten mich nächtelang, tagsüber legten sie mich lahm oder ließen mich gereizt werden. Der Psychiater verordnete mir Medikamente. Doch die linderten nur das Angstgefühl. Meine Hoffnung war krank geworden. Depressionen meine Begleiter. Menschen – Fachleute, die sich mit unserer Familie beschäftigten – hatten mir ein neues Etikett angeheftet. Darauf stehen Dinge, die mehr als unerfreulich sind. Eigenschaften, die ich als Mutter nicht haben sollte. “Du bist nicht gut für deine Kinder. Sie brauchen eine starke Mutter.” Das war die Botschaft. Ich bekam sie sogar schriftlich. Alle Kämpfe schienen sinnlos gewesen zu sein. “Nicht stark genug.” Das hatte gesessen. Während mein bisheriges Leben unterzugehen schien, erlebte meine Seele einen seltsamen Trost. 

Kann die Seele tanzen, wenn der Rest von mir ohne Hoffnung ist? 

Ja, das kann sie. Es gibt diese Momente, in denen sie sich lösen kann. Schon seit Juli habe ich immer wieder ein Bild im Kopf: Eine Frau schwebt über dem Meer Richtung Himmel. Dabei streift sie ein schwarzes Kleid ab. Darunter kommt ein weißes zum Vorschein. Durchflutet von Licht steigt die Person zum Himmel auf, breitet die Arme aus. Die Wolken brechen auf. Ich hatte das tiefe Bedürfnis, die Szene zu malen. 

Es waren harte Wochen, als Ende August die Sonne für immer unterzugehen schien. Alles stand plötzlich auf dem Spiel: Meine Familie, meine Hobbys, meine Arbeit, meine Kreativität. Ich verlor mein Selbstwertgefühl. Ein Tsunami schien alles unter Wasser zu setzen. Doch ich ging nicht unter. Zwischen Panikattacken und der Vorbereitung auf einen Platz in der Psychiatrie entschloss ich mich, mich nicht zu verstecken. Ich sortierte meine Möglichkeiten im Kopf, erzählte Menschen von meiner Krise. Es passierte Unvorstellbares: Niemand verurteilte mich! Ich fand unverhofft Hilfe. Alte Kontakte wurden erneuert und neue entstanden. Immer mehr Möglichkeiten taten sich auf. Es war und ist noch immer atemberaubend. Trotzdem sehe ich, dass ich arbeiten muss. An mir selbst und an der Situation. Das Bild half mir dabei. 

Die schwarzen Fetzen abstreifen

Wenn die Seele tanzt. Acryl auf Leinwand, 53 x 73 cm, Sep – Okt 2026

Das schwarze Kleid steht für mich für Scham. Es schwimmt im Wasser, noch sichtbar und spürbar, aber nicht mehr bedrohlich. Vielleicht ist es wie das Etikett, das sich im Wasser löst. Es ist nicht immer so einfach wie im Bild: Bisweilen klammert die Scham sich hartnäckig an mir fest, ich reiße und zerre. Und dann gibt es Momente, in denen tanze ich innerlich. Ich spüre die Hoffnung wieder und den Glauben an eine bessere Zukunft.

Ich glaube, dass meine Seele sich zeitweise aus der Flut in den Himmel erheben und dort tanzen kann. Ich spüre es ganz fest. Da ist eine Hoffnung, die niemals krank werden kann. Und eine Wut, die positive Kräfte entfalten kann, mit der ich für meine Familie kämpfen kann. Ich habe sie nicht gemacht. Es gibt kein Rezept. Das sind Geschenke. Ich denke, dass es Glaube ist. Da ist eine Wahrheit über mich, die ist höher als alles, was ich bisher weiß. Die bleibt, auch wenn ich einen harten Weg gehen muss. Wenn jemand einen Hinweis auf Gift an einen Schatz klebt, bleibt er trotzdem wertvoll. Mit diesem Wissen möchte ich weiter an die Unbeschwertheit unter dem Mantel der Scham glauben. 
Ich werde sie suchen, bis meine Seele endgültig den Himmel berührt.

Ich danke allen, die mich und meine Familie in dieser harten Zeit unterstützt haben und es noch tun. Egal, ob ihr beruflich mit uns zu tun habt oder privat. Ich wünsche euch den Glauben, der bleibt, wenn Stürme toben. Ich wünsche euch Mut, aufzustehen und Hilfe zu suchen, wenn die Panik euch in den Nacken beißt. Gerade dann, wenn ihr denkt, dass ihr niemals etwas zurückgeben könnt. Ich wünsche euch Glauben an das Gute in euch, wenn ihr Mist gebaut habt. Ich wünsche euch heilsame Fluten, die geeignet sind, Etiketten restlos abzulösen. Ich wünsche euch Ausdauer, um weiter zu machen. Und ich wünsche euch Momente, in denen die Seele über all dem Chaos tanzt. 

(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de

2 Kommentare

  1. Karl Friedrich

    Danke für deine ehrlichen und klaren Worte. Das Bild, aber auch die Sprache, in der du deine Situation beschreibst, ist sehr ausdrucksstark. Ich denke, dass das, was du hier ehrlich teilst, für viele Menschen eine große Hilfe ist. Ich wünsche dir und deiner Familie alles Gute und Gottes Segen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ich stimme der Datenschutzerklärung zu

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

error: Das Bild ist urheberrechtlich geschützt!