„Die Erdbeermarmelade ist sauer!“ Der jüngste Sohn verzieht das Gesicht. Mich wundert es nicht. Immerhin steht „Zero Zuckerzusatz“ drauf. Was das bedeutet, wird beim Durchlesen der Zutatenliste klar.
Dass ich null Zucker schmecken kann, im Vergleich zu anderen Marmeladen, liegt daran, dass er sich hinter dem fehlenden Geschmack perfekt tarnt.
Außerdem hinter der Bezeichnung Maltitsirup. Okay, es ist ein Zuckeraustauschstoff, aber definitiv aus Maltose, also Malz-ZUCKER gewonnen. Außerdem enthält der Auftrich auch von Natur aus Zucker, wie der Hersteller freimütig zugibt. Ich frage mich sowieso, wie man eine Marmelade ohne Zucker kochen kann.
Seit wir das entdeckt haben, trägt der Brotaufstrich bei uns den Namen „Fake Zero Erdbeer Marmelade“. Sie erfreut sich sehr geringer Beliebtheit bei den Kindern und so haben mein Mann und ich das Zeug für uns. Wegschmeißen ist nicht, sie muss einen langsamen und grauenhaften Tod durch Verzehr sterben. Zum Schluss fliegt der Behälter mit – tatsächlich – Zero Inhalt ins Altglas.
Zuckerfrei klebt auch
Aber so ganz null und nichtig ist die Sache am Ende dann doch nicht. Was von Fake Zero bleibt, ist, dass das Zeug aus irgendeinem Grund auch ohne Zuckerzusatz klebt – und zwar in meinem Gehirn. Als das Glas schon längst in unserem Schuppen auf die Abfuhr zum Recycling wartet, denke ich über Inhalte nach, die die Aufschrift Zero tragen. Ich habe gelernt, über Fakten zu schreiben statt über das, was nicht ist. In der Marktwirtschaft scheint das anders zu sein. Da ist es üblich, mit etwas Werbung zu machen, was nicht drin ist. Wer genau hinsieht, findet es dann doch, wenn auch unter anderem Namen.
Wenn ich darüber nachdenke, breitet sich zu meiner Überraschung Trost in mir aus. Zuerst verstehe ich das nicht. Dann dämmert es langsam. Auch ich kenne so einen Fake Zero Zustand. Ich denke manchmal, dass ich in bestimmten Bereichen eine Null bin, nichts zu bieten habe. Damit bin ich nicht alleine. Viele Menschen tragen Etiketten, die sie selbst oder andere ihnen angeklebt haben. Oft steht drauf, was nicht drin ist. Das kann von “null Verstand“ bis „zero sportlich” alles sein. Doch es lohnt sich oft, noch einmal hinzuschauen. Dann entdecke ich von dem vermeintlich nicht Vorhandenen mehr als gedacht. Es ist nämlich zumindest etwas davon von Natur aus enthalten.
Mein eigenes, lange geglaubtes Zero entpuppt sich gerade als Fake. Fantastisch, wie viel Inhalt ich durch Fake-Zero zum Vorschein kommen kann.
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de
Ein Fake-Zero-Phänomen
Ein Fake-Zero-Phänomen bei mir der Gedanke gewesen, ich könne kein Buch schreiben. Immer, wenn jemand sagte: Schreib doch mal ein Buch!“, dann habe ich gesagt: „Das kann ich nicht.“ Aber am 7.8.2023 erscheint es im Neukirchener Verlag unter dem Titel „Funkelflocken“. Dafür habe ich 55 neue Alltagsgeschichten geschrieben. Es ist durchgehend 4, farbig und enthält viele Fotos.
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