Die Weinbergschnecke und ich sind allein auf weiter Flur. Alle anderen scheinen sich bei dem Wetter in ihre Häuser verkrochen zu haben. Der Regen tut gut.
Meine Haare beginnen, an der Stirn zu kleben. Die Regenjacke habe ich vergessen, zu lange habe ich sie nicht gebraucht. Jetzt hocke ich auf dem glänzenden Asphalt, lasse zu, dass das Wetter mir den Kopf wäscht, weil sie mich in ihren Bann zieht. Mir scheint, als hätte ich eine Seelenverwandte getroffen.
Wir schauen uns an, auch ich habe meine Fühler ausgestreckt. Ich mag Schnecken nicht, weil sie so schonungslos mein Gemüse im Garten fressen, aber dieses Exemplar ist eine Ausnahme. Ich hege eine seltsame Sympathie für den kleinen Glatzkopf, der sich gerade so niedlich aus dem Häuschen herausrollt. Sie hatte ihn kurz zurück gezogen. Offenbar war ich bei meinen Betrachtungen zu nahe gekommen.
In den letzten Wochen habe ich mich selbst auch zurück gezogen, um mich vor vermeintlichen Gefahren zu schützen. Panik und Sorgen haben mich in mein Haus verschlagen. Und es ist erst einen Tag her, dass es schien, als könnte ich nach langer Dürre zum ersten Mal vorsichtig wieder meine Nase aus dem Fenster halten, ohne vom Leben überfahren zu werden.
Diese Schnecke hat mich überholt. Sie hat die Trockenzeit geduldig abgewartet und sich bei der ersten Gelegenheit auf den Weg gemacht, ihr Haus im Gepäck. Inzwischen ist sie an mir vorüber gekrochen. Ich schaue ihr nach. Unbeirrt zieht sie weiter, es juckt sie nicht, dass sie langsam unterwegs ist.
Ich habe heute von ihr gelernt. Wenn ich das nächste Mal auf dem Bauch lande, muss dass nicht heißen, dass es nicht mehr vorwärts geht.
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de