Eigentlich wollte ich nur zur Arbeit fahren. Ein Naturschauspiel verführte mich zu einem Umweg. Er brachte mich ans Ende des Nebels.
Der Nebel hängt über dem Tal, in dem ich arbeite. Auf dem Weg dorthin kann ich ihn von oben sehen. Die Faszination zwingt meinen rechten Fuß auf die Bremse. Ich widerstehe und entscheide mich für das Lenkrad. Erstmal abbiegen. Während ich Fotos mache, verstehe ich, was los ist.
Etwas in mir wehrt sich, in die dichte Suppe zu fahren. Viel zu oft war ich in einer Situation, in der meine Gedanken in Watte verschwanden. Dorthin möchte ich nicht zurück. Hier, weit über dem Nebeltal, denkt es sich klar. Wenn ich jetzt meinen Weg fortsetze, bin ich in fünf Minuten in der Wolke verschwunden, die im Tal festhängt. Dann sieht alles grau aus.
Ich frage mich, wie es wohl das Ende des Nebels aussieht.
Ein Blick auf die Uhr verrät, dass ich noch 45 Minuten Zeit habe, bis mein Meeting beginnt. Das dürfte für eine investigative Recherche reichen. Ich fahre ins nächste Dorf und hänge plötzlich mitten in der weißgrauen Welt. Nehme die nächste Abbiegung, die nach oben führt. Ich weiß: Weiter oben am Berg ist eine Wiese. Vielleicht sehe ich es von dort aus. Ich fahre dem Weg nach, bis es hell wird. Die dicke Wolke ist jetzt fast auf Augenhöhe. Ich parke mein Auto und laufe weiter auf die Wiese. Ich möchte sehen, wo der Nebel endet.
Was ich finde, ist definitiv ein schönes Ende.
Es ist eine Schönheit, die mich überwältigt. Mein Herz hüpft vor Freude und ich täte es auch, steckte ich nicht bis zum Fußknöchel im sumpfigen Untergrund fest. Mein Handy kann nur schwache Abbilder festhalten. Die Sonne ist an der Arbeit, den Nebel aufzulösen. Er verdampft über dem Feld. Sein Überrest hält sich in Bäumen und Büschen fest und hüllt sie in ein zartes Kleid.
So viel Schönes bleibt im Nebel verborgen. Trotzdem hat er auch etwas Tröstliches. Er hilft bisweilen, die Realität besser auszuhalten.
Manchmal habe ich Angst vor der Klarheit. Wenn ich weiß, dass am Ende des Nebels die Sonne dabei ist, ihn aufzulösen, dann ist es viel einfacher, sich davon zu verabschieden. Es ist dann auch einfacher, diffuse Lebenslagen auszuhalten. Manchmal muss der Nebel sein, damit ich die Sonne wieder sehen will. Auf einem meiner Fotos sehe ich einen Sonnenstrahl. Als ich ihn auf mich wirken lasse, fühle ich, wie Hoffnung sachte mein Herz kitzelt.
Es ist als wolle die Szene mir sagen: Du bist soweit. Wer das Ende des Nebels sucht, ist bereit für die Sonne.
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de