Immer wieder faszinieren mich ausrangierte Gegenstände und Möbelstücke. Es ist schon öfter vorgekommen, dass ich spontan unterwegs etwas vom Sperrmüll retten „musste“. Ich habe unter anderem Tische und Stühle restauriert, Paletten umfunktioniert und einen alten Stubenwagen aufgemotzt. Erst vor ein paar Tagen fand ein restaurierter Spiegel Platz in unserem Hausflur. Aber besonders angetan hat es mir ein Fachwerkbalken. Auf dem Weg zur Sitzbank musste er viel durchleiden. Ich habe mich in ihn hineinvesetzt und ein Gedicht geschrieben. Möge es jedem Mut machen, der sich gerade „ausrangiert“ fühlt.
Letzte Ehre
Ich sehe dich am Straßenrand
Zum Sterben bist du schon verdammt
Traurig und stumm
Und doch ein Stück Erinnerung
Risse durchziehen dich
Dein Ende nähert sich
Von Hoffnung keine Spur
Ich hör die Müllabfuhr
Die letzte Ehre
Als wenn es eine wäre!
Mitten unter Trümmern
Seh ich noch Zukunft schimmern
Die morsche Haut von Lehm verklebt
In dem ein Heer von Asseln lebt
Wie oft bist du im Leben
Schon der Verachtung erlegen?
Früher stütztest du ein Haus
Dann musterten sie dich aus
Nichts ist vom Bau geblieben
Nur morsche Balken, die hier liegen
Als ein Stück im Häufchen Elend
Find ich dich glücksschwebend
Durch morsche Schichten seh ich Glanz
Ich weiß, darunter ist Substanz
Die letzte Ehre
Traurig, wie sie fast geworden wäre
Doch voller Glück
Nehm ich dich mit
Ich muss dich mit nach Hause nehmen
Dann geb ich dir ein neues Leben
Einen neuen Lebens-Sinn
Weil ich stolz auf dich bin
Dein Lack ist ab
Dein Glanz ist matt
Deine Konturen verblasst
Doch deine Chance nicht verpasst
Ich will dich vom Dreck befreien
Wirst du dabei schreien?
Der Mist muss weg
Darunter hält sich Schönheit versteckt
Die letzte Ehre
Dir zu geben ich begehre
Ich betrachte dich still
Du bist für mich kein Müll
Komm, lass dich schleifen
Ich will dich glätten, neu begreifen
Ich will dich reparieren
Von Grund auf restaurieren
Ich möchte dich erforschen
Deinem Herzschlag horchen
Wir wagen Neubeginn
Mit einem tiefen Sinn
Unter ausgedienter Hülle
Find ich neue Lebens-Fülle
Ich schleif sie ab bis zur Substanz
Nackt strahlst du in hellem Glanz
Mit letzter Ehre
zu einer neuen Lebenssphäre
Gib dich bitte niemals auf
Du hast unfassbares drauf
Umgestaltet statt entartet
Ein neuer Platz, der auf dich wartet
Du warst ein Stück vom Haufen Müll
Jetzt bist du, was jeder will
Die Narben der Vergangenheit
Wurden zur Besonderheit
Was du gabst in deinem Leben
Dafür will ich dir Ehre geben
Als Schmuck kehrst du ins Leben zurück
Mit Freude ruht auf dir mein Blick
Ich gab dir die letzte Ehre
Das wurde letztlich mir zur Ehre
Deine letzte Ehre
Ist jetzt eine primäre
Von Müll, zur Abholung bereit
Zum Unikat durch Handarbeit
(c) Ramona Eibach, www.funkelflocke.de
Hallo Ramona,
Dieses Gedicht geht unter die Haut.
Danke, danke auch für die Impulse von vorhin bei Mayra.